2000 Gipfeli pro Tag und ganz viel Herzblut: Die Mörschwiler Bäckerfamilie Füger feiert das 175-Jahr­Jubiläum

1850 eröffnete Johann Jakob Füger in Mörschwil eine Bäckerei. Mittlerweile gehören zum Betrieb vier Filialen. Ein Blick in die Firmengeschichte zeigt den Wandel der Welt und was das Erfolgsrezept der Bäckerdynastie sein könnte.

Seitdem hat sich die Welt gewandelt. Heute ist die Blütezeit der Ostschweizer Textilindustrie vorbei, es gibt Autos und kontaktloses Bezahlen. Was geblieben ist: Am Kirchplatz in Mörschwil steht noch immer der «Ochsen», noch immer betrieben von der Familie Füger. Dieses Jahr feiert das Unternehmen 175-jähriges Bestehen.

1850 war die moderne Schweiz erst zwei Jahre alt, die Handstickmaschine verbreitete sich gerade in der Ostschweiz und der Franken wurde zur Einheitswährung erkoren. Und in Mörschwil eröffnete im selben Jahr Johann Jakob Füger im «Ochsen» neben der Kirche eine Bäckerei und ein Restaurant.

Drei Generationen auf einem Bild: Fabian, Simone und Raphael Füger führen die Bäckerei Füger heute. Helen und Beda Füger führten sie in fünfter Generation, lmelda Füger (zweite von rechts) in vierter. Bild: zvg

«Vo nüt chunnt nüt»: Sechste Generation führt den Betrieb

«Dieses Jubiläum macht uns demütig und stolz», sagt Fabian Füger. Er leitet mit seiner Frau Simone und seinem Bruder Raphael die Bäckerei Füger in sechster Generation. «Natürlich spüren wir auch eine gewisse Verantwortung, an diese lange Geschichte anzuknüpfen und geben täglich unser Bestes, um immer einen Schritt vorwärts zu machen.»

Vor sechs Jahren haben die drei den Betrieb von den Eltern Helen und Beda Füger übernommen.

Fabian Füger leitet die Bäckerei, Raphael ist zuständig für den Bereich Gastro und Events, Simone verantwortet die Administration. Es brauche diese Dreierkombination, damit der Betrieb funktioniere.
Die siebte Generation gibt es bereits. Raphael hat zwei Kinder, Fabian und Simone drei. «Sie sollen aber wie wir die Möglichkeit haben, den Beruf zu erlernen, den sie möchten», sagt Fabian Füg er. Er und Raphael haben noch zwei Brüder, einer davon ist in der Hotellerie tätig, der andere in der Baubranche

«Wir wollen unseren Kindern die Werte weitergeben, mit denen wir aufgewachsen sind», sagt Fabian Füger. «Dazu gehört Gastfreundlichkeit und dass ein solcher Betrieb trotz vieler Entbehrungen auch viele schöne Seiten hat.» Und zuletzt: «Vo nüt chunnt nüt.»

Fabian Füger führt gemeinsam mit seiner Frau Simone und seinem Bruder Raphael seit sechs Jahren die Bäckerei-Restaurant Füger GmbH in Mörschwil (v.l.n.r.). Bild: zvg

Natürlich freue es ihn, wenn eines seiner Kinder den Wunsch äussere, auch einmal in einer Backstube arbeiten zu wollen. Die Freude an der Arbeit sei das Wichtigste. «Man kann diesen Betrieb gar nicht führen, wenn man das nicht zu hundert Prozent liebt.»

Aufnahme aus dem Fotoalbum der Familie Füger in Mörschwil. Früher wurde das Brot auf Leiterwagen, gezogen von Hunden, zur Kundschaft gebracht. Bild: zvg

Als noch der Hund das Brot auslieferte

Die Bäckerei Füger ist ein Familienbetrieb. Obwohl sie pensioniert ist, hilft Helen Füger beim Abpacken der Osterhasen und übernimmt Nachtschichten am Wochenende. Auch Beda Füger, der dieses Jahr in Pension geht, unterstützt das Unternehmen, wo er kann. Fabian und Simone Füger wohnen mit ihren Kindern in der Wohnung im «Ochsen». Einen Katzensprung davon entfernt ist die 95-jährige Imelda Füger zu Hause. Sie leitete den Betrieb mit ihrem Mann Beda Ferdinand in der vierten Generation.

 

Erst vor kurzem habe er mit ihr ein Album von früher angeschaut, sagt Raphael Füger. «Ganz am Anfang ihrer Geschäftstätigkeit wurde das Brot noch im Leiterwagen, gezogen von Hunden, ausgeliefert.» Die Kunden hätten jeweils Fleischreste für die Tiere bereitgehalten. Und die Route sei mit derjenigen des Milchmanns abgestimmt worden, weil sich dessen Hunde nicht mit jenen von Fügers verstanden hätten.

Zu Imelda Fügers Zeit hatte der Betrieb fünf Mitarbeitende. Dann übernahmen Helen und Beda Füger 1989 die Führung. Bei der Übergabe an ihre Söhne 30 Jahre später zählte das Unternehmen 60 Mitarbeitende. Heute beschäftigen Fügers rund 85 Personen.

Sie führten die Bäckerei Füger in Mörschwil in vierter beziehungsweise fünfter Generation: Die ehemaligen Inhaberinnen lmelda (links) und Helen Füger (rechts). Bild: zvg
Der «Ochsen» in Mörschwil war die erste Filiale der Bäckerei Füger und das Elternhaus von Raphael und Fabian Füger. Bild: Arthur Gamsa (5. 9. 2022)

Der «Ochsen» als Ursprung, Zentrale und Mutterhaus

Mittlerweile betreiben Fügers neben der Filiale in Mörschwil auch je eine in Rorschach, Steinach und
St.Gallen. Dreh- und Angelpunkt des Geschäfts ist nach wie vor der über 230 Jahre alte «Ochsen» in Mörschwil. «Unser Mutterhaus», sagt Raphael Füger. Im Jubiläumsjahr wird es umgebaut. «Natürlich hätten wir auch auf der grünen Wiese bauen können.» Doch man habe sich bewusst zum Haus bekennen wollen.

Dort sind Raphael und Fabian Füger aufgewachsen. «Am Mittag haben wir jeweils in der Gasthausküche mit den Mitarbeitenden gegessen.» Heute werden dort Menüs angerichtet. Immer vor Weihnachten halfen die Buben, Früchte für die Ananasrahmtorte zu schneiden. «Das Rezept stammt aus der vierten Generation und besteht bis heute», sagt Raphael Füg er. Früher sei Ananas für die Kundschaft etwas ganz Besonderes gewesen, heute sei es ein Alltagsprodukt.

 

2008 wurde an der Kirchgasse in Mörschwil ein Schopf abgerissen, damit die Bäckerei Füger den «Ochsen» und den Verkaufsladen vergrössern konnte. Bild: Hanspeter Schiess
Bild aus dem Fotoalbum der Familie Füger, die seit 1850 eine Bäckerei im «Ochsen» in Mörschwil betreibt. Bild: zvg

Das Erfolgsrezept

Während andere lokale Geschäfte schliessen müssen, bauen Fügers aus. Als Erklärung für den Erfolg sehen sie unter anderem die Modernisierung der Marke Füger 2016. Damals führten sie das «Handmade-Füger»­Konzept ein. «Wir sind einen anderen Weg gegangen als die Mehrheit», sagt Fabian Füger. Statt grosse Produktionshallen zu bauen, backe man weiterhin in den Filialen. «Das ist authentisch, regional und die Leute haben in jedem Laden den Geruch von frischem Brot in der Nase», sagt Raphael Füger.

Der Erfolg beruhe aber auch «auf dem guten Grundgerüst, dem guten Ruf», mit dem sie den Betrieb übernommen hätten, sagt Simone Füger. «Auf jeden Fall! Das Gipfelirezept haben nicht wir entwickelt, sondern die fünfte Generation», ergänzt Raphael Füg er. 2000 Gipfeli stellt die Bäckerei Füger jeden Tag her.

Der Erfolg liegt möglicherweise auch darin, ab und zu einen Schritt zurückzumachen. 2022 schränkten Fügers ihre Öffnungszeiten ein, seitdem bleiben die Filialen sonntags und montags geschlossen. Grund dafür war der Personalmangel nach der Coronapandemie. Heute sei die Personalsituation entspannter, sagt Fabian Füger.

Der Blick in die Zukunft

Der Umbau dieses Jahr soll den «Ochsen» und die Bäckerei Füger für die nächsten 30 Jahre fit machen. Weitere Filialen zu eröffnen, ist momentan kein Thema. Ziel sei es, weiterhin das Handwerk in den Vordergrund zu stellen und auch mit fast hundert Mitarbeitenden ein familiärer Betrieb zu bleiben, sagt Fabian Füger. Für die Angestellten gab es Anfang des Jahres eine Jubiläumsparty. Ein Jubiläumsfest für die Öffentlichkeit ist nicht geplant. «Wir wollen vor allem unseren Mitarbeitenden, engen Kunden und Stammgästen mit einzelnen Jubiläumstagen und Aktionen Danke sagen», sagt Raphael Füger.

Die Bäckerei Füger ist für ihre Gipfeli bekannt, bietet aber unter anderem auch Sandwiches und Menüs an. Bild: zvg